Vom 13.11.-14.11.2023 fand in Verona die jährliche wine2wine Konferenz statt – eines meiner Lieblingsformate. Warum? Weil hier Business Themen im Vordergrund stehen und nicht, wie üblich, der Wein selbst. Verkostungen sind hier nur ein kleiner Teil des Programms. Meiner Meinung nach, ist es enorm wichtig, dass sich Betriebe in der Weinbranche mit Trends, Marketing, KI & Finanzen beschäftigen. Der bisherige Fokus auf Produktion ist nicht zeitgemäß und wird alleine nicht reichen, um zukünftig erfolgreich aufgestellt zu sein („zukünftig“ beginnt direkt morgen).
Daher hier nun ein paar Highlights der wine2wine für euch als Gedankenfutter von mir zusammengefasst.
Potenzial von B2C Geschäftsentwicklung
Barbara Fitzgerald bringt interessante Einblicke in den US-Markt, der sehr stark auf Privatkundschaft setzt: „Direktverkauf an Konsumenten ist die Lebensader der amerikanischen Weinwirtschaft“, zitiert sie Jim Trezise.
Wichtige Learnings auch für uns Europäer:innen: Konsument:innen kommen zu Weingütern und Verkostungen, weil sie ein schönes Erlebnis erwarten. Im besten Fall verlassen sie das Weingut als „Botschafter“ (weil sie von sich aus gerne über ihre tolle Erfahrung erzählen) und werden so automatisch Teil des Marketings. Nutzt das und macht euch diesen Ansatz zu eigen. Überzeugte Kunden sind Fans und machen das beste Marketing für euch.
Thema Kundendaten. Zu häufig sehe ich in meiner Beratungstätigkeit, dass viele Weingüter Kundendaten nicht sauber sammeln und nutzen. Ihr hattet glückliche Kunden bei einer Verkostung? Warum fragt ihr nicht sofort nach der E-Mail-Adresse? Umso mehr Kundeninformationen ihr sammelt (vielleicht wisst ihr sogar, welche Weinpräferenz jemand hat?), um so gezielter funktioniert Datensegmentierung und individuelle Kundenansprache. „Talk to the people, the way they want to be talked to”, ist Barbara´s Kommentar. Dann freut sich jeder über Post von euch.
Einige Ideen funktionieren in den USA sicherlich besser, z.B. Weinclubs. Aber auch in Europa sollten wir uns dringend auf den Weg machen und neue Wege ausprobieren. Als ein erfolgreiches Beispiel eines europäischen Weinclubs wurde mir von einem Teilnehmer der italienische One-Liter-Club „La Spinetta“ genannt. Check it out!
LVMH US-Strategie
Lerne von den Besten. Das geht ganz wunderbar, wenn man dem Gespräch mit der Speakerin Aygline Pechdo Regent von LVMH folgt. Sie betont, dass es extrem wichtig sei, langfristige Entscheidungen jetzt (!) zu treffen. Auch wenn die Zeiten schwierig sind, „nur reagieren“ sei keine Option. Jeder Betrieb sollte sich immer Fragen: „Ist das jetzt langfristig das Richtige für meinen Betrieb?“. Eine langfristige Vision und sinnvolle Investitionen, nennt sie als wichtige Eckpunkte.
Was macht LVMH außerdem erfolgreich? Ebenso wie die anderen Speaker der Konferenz, betont auch Aygline Pechdo Regent, dass Konsumenten immer auf der Suche nach einem Erlebnis, nach einer Erfahrung sind. Der Fokus auf technische Weinsprache, macht ein Weingut nicht besonders und auch nicht attraktiv für Kunden. Auch, wenn dies natürlich ein wichtiger Aspekt ist, wäre es dennoch viel wichtiger, Kunden zu einem Teil der „Familie“ zu machen. Das funktioniert nicht über technische Weinbeschreibungen, sondern über emotionales Storytelling. Das mag banal klingen an dieser Stelle. Aber auch diesen Punkt sehe in der Praxis immer wieder auf Weingütern: Während der Führungen erzählen Winzer:innen häufig – mehr als ausführlich – über Anbautechniken, Boden, Rebschnitt, Weinbeschreibungen & Co. Catcht das die Kunden wirklich? I don´t think so! Am Ende schreibt doch jedes Weingut eine ganz eigene, persönliche Geschichte, die sich definitiv von der des Nachbarn unterscheidet.
Mehr Geld machen mit Wein
Robert Joseph hatte das Abschlusswort und nimmt das Plenum wiedermal in seinen Bann. Wie kannst du als Weingut einen besseren Preis für Weine verlangen? Robert nennt eine Reihe von Punkten, die er auch bei seiner eigenen Weinserie umsetzt.
Auch er setzt auf Fans anstatt auf Kunden. Kunden kommen und gehen. Fans bleiben und warten darauf, deinen Wein kaufen zu dürfen, sprechen darüber, und machen alle Hoch- und Talfahrten mit. Als Vergleich nennt Robert seinen Lieblingsfußballclub. Der verliere zwar in Folge und dennoch ginge er als Fan immer wieder zum Spiel. Das heißt nicht, dass deine Weine „Verlierer“ sein sollten, sondern soll nur unterstreichen, dass dir Fans treu ergeben sind. Anders als Kunden.
Damit einher geht die Frage, was deine Kunden bereit sind zu bezahlen. Wer sind deine Kunden überhaupt? Sind es die richtigen Kunden? Schätzen sie dein Produkt wirklich oder müsstest du über deine Kunden (Anmerkung: Zielgruppe) nachdenken?
Um Preise dann tatsächlich erhöhen zu können, sieht Robert die Einführung eines neuen Labels als sinnvoll. Einfach den Preis eines bestehenden Produktes signifikant zu erhöhen, lässt sich selten rechtfertigen.
Und wie steht es um die Distribution? Hast du wirklich Partner an der Seite, die dein Produkt im richtigen Licht sehen und denken, dass du besonders bist? Falls nicht, suche dir Partner, die dich und deine Produkte wirklich schätzen.
Und der wichtigste Punkt zum Schluss: Werde emotional! Ist jemals ein Kunde zu deinem Weingut gekommen und hat tatsächlich gesagt „Ich möchte bitte dein Terroir kosten!“?! Zu häufig betrachten Weinproduzenten ihren Schatz aus ihrer eigenen (technischen) Perspektive, aber hilft das den Kunden aka Fans?
Zu guter Letzt…
Ich empfehle das Format wine2wine sehr. Neben fachlichen Input – der allerdings auch nicht zu tief geht – gibt es viele Möglichkeiten zum Netzwerken in familiärer Atmosphäre. Ich schätze die Überschaubarkeit des Formats sehr. Auf der Vinitaly, ProWein & Co fühle ich mich meist etwas überfordert aufgrund der unendlichen Möglichkeiten und zahlreichen Aussteller.