Südtiroler Weinvermarktung: Qualitätsanspruch gepaart mit Selbstbewusstsein.
Südtiroler Weinvermarktung – ist das der Rede wert? Auf jeden Fall. Denn irgendwie machen´s die Südtiroler doch ziemlich anders als deutsche Weinbaubetriebe: Volle Kanne Selbstbewusstsein, eine Preispolitik bei der viele Deutsche (Weinbaubetriebe & Konsumenten gleichermaßen) ins Grübeln kommen sowie gelebtes Premiumbewusstsein gepaart mit Stil & Eleganz.
Die Weinregion Südtirol.
Südtirol ist eines der kleinsten Weinanbaugebiete Italiens und dennoch sehr facettenreich. Ein frischer Müller-Thurgau aus dem Eisacktal oder ein kräftig-aromatischer Gewürztraminer aus dem Unterland – alles ist drin. Mehrheitlich wird in Südtirol Weißwein angebaut mit Rebsorten wie Pinot Grigio, Gewürztraminer, Chardonnay oder Weißburgunder. Bei den Rotweinen dominieren Vernatsch, Blauburgunder und Lagrein. Besonders die authochtonen Rebsorten Vernatsch und Lagrein sind ein tolles Komplementärprogramm und spiegeln einzigartig die Vielfalt der Südtiroler Weine wider.
Auf 200 bis 1000 m.ü.M. werden rund 20 Rebsorten angebaut. Südtiroler Weine sind größtenteils DOC-Weine und werden im Vergleich zu anderen italienischen Weinbauregionen überdurchschnittlich oft ausgezeichnet, beispielsweise mit den „Tre bicchieri“ im Gambero Rosso (Quelle).
Vor Ort dabei: Meine Erfahrung in einer Südtiroler Vinothek.
Kurz von vorne: Fünf Wochen habe ich in der Vinothek der Winzergenossenschaft Nals Magreid mitgearbeitet. Wie kam ich dazu? Während meines Studienaufenthalts im Sommer in Franken und meinen Interviews mit Winzern dort, hörte ich von den „selbstbewussten Südtiroler Winzer:innen“ und dachte mir: Das schaue ich mir genauer an! Da kann man sich doch bestimmt eine Scheibe abschneiden! Gesagt, getan. In Nals – auf halber Strecke zwischen Bozen und Meran – wurde ich bei der Kellerei Nals Magreid fündig.
So lernte ich einerseits hautnah die Arbeit bei einer Südtiroler Kellerei kennen und besuchte andererseits noch weitere Kellereien in der Region. Die Arbeit in der Kellerei gab mir direkte Einblicke in den Südtiroler Weinverkauf, Kundenbeziehungen und Weinvermarktung.
Südtiroler Weinvermarktung: Die 5 wichtigsten Erkenntnisse!
Weinvermarktung in Südtirol läuft anders. Selbst bei der Winzergenossenschaft liegt der Einstiegspreis für eine Flasche Wein bei ca. 10€. Dabei ist für Besucher nicht unbedingt ersichtlich, dass sie sich bei einer Winzergenossenschaft befinden. Das Auftreten einer Genossenschaft ähnelt das eines Privatbetriebes – und so ist es auch gedacht. Ich nenne es das Konzept von Premium-Winzergenossenschaften: Selbstbewusstes, elegantes Auftreten mit Stil. Ein vorzeigbarer (starke Untertreibung!) Verkaufsraum ist dabei nur ein Aspekt.
Fünf wichtige Erkenntnisse, die ich in Südtirol gelernt habe:
- Nicht unter Wert verkaufen! Weine kosten, was sie kosten. Die „Geiz ist geil“- Mentalität wird hier gar nicht erst bedient. Rabatt gibt es nicht. Versandkostenfrei gibt es nicht. Ab einem bestimmtem (gehobenen!) Warenwert gibt es eine Flasche Wein gratis als Präsent. Meine Beobachtung während der Arbeit mit der Direktkundschaft: Besonders Deutsche fragen gerne nach Rabatt, auch wenn sie nur für einen „geringen“ Warenwert eingekauft haben. Fremdschämen ahoi.
- Professionalität & Fokus Wein: Die Weine werden en detail in ihrer Besonderheit erläutert. Klima, Lage, Böden – jeder Wein hat seine eigene besondere Charaktersitisk. Deshalb hat auch Südtirol ein Lagenkonzept eingeführt. Understanding unnötig. Man weiß, was man kann, ist stolz darauf und vermittelet das mit „italienisch angehauchter“ Eleganz.
- Mit Liebe zum Detail! Alles im Verkaufsprozess unterstützt das professionelle Auftreten. Egal, ob elegante Gläser, die von allen Kunden gelobt werden, stylische Weinkartons für 2er oder 3er Verpackungen oder das Verschließen von Weinkartons mit Klebepistole anstatt Klebeband – eben weil es „eleganter“ aussieht.
- Überzeugend im Auftreten! Nun gut, eine Vinothek à la Tramin, Kurtatsch oder Nals Margreid ist für Familienbetriebe nicht vorstellbar. Nichtsdestotrotz muss ein Verkostungsraum nicht an Großmama und die Literflasche von 1970 erinnern. Repräsentieren ist als Weingut mit Direktverkauf wichtig – die Kunden wollen Wertigkeit vermittelt bekommen und sich wohl fühlen.
- Premium-Genossenschaften als Erfolgskonzept! Nicht jeder Betrieb möchte nur Traubenlieferant sein – klar. Aber trotzdem ist die Frage interessant, inwiefern Kooperationen von Betrieben untereinander eine größere Marktmacht (und Marke) schaffen können. In Südtirol sind 70% der Betriebe genossenschaftlich organisiert. Dabei sind die Kellereien bzw. Vinotheken der Genossenschaften nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Architektonisch eindrucksvolle Vinotheken vermitteln den ersten Eindruck eines Privat-Weingutes. Die millionenschweren Investitionen der Genossenschaften in neue Vinotheken wie Kurtatsch oder Tramin sind beeindruckend – zahlen sich aber auch aus, da sie den Verkauf ankurbeln.
Zusammenfassung: Südtiroler Weinvermarktung
Südtirol ist eine besondere Weinregion von der man sich eine Scheibe abschneiden kann! Nix understatement, keine Billigpreispolitik. Natürlich, die Mehrheit der Kundschaft hier ist darauf eingestellt, nimmt höhere Preise in Kauf und erwartet im Gegenzug Premium-Weine und außerordentliche Weinerlebnisse. Das Selbstbewusstsein und die Weinkultur verknüpft mit Regionalität & Genuss sind spannende Aspekte – auch als Idee für deutsche Weinbaubetriebe.
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